Interview mit Dr. Andreas Wulf
Einfluss der Bill & Melinda Gates Foundation auf die globale Gesundheitspolitik
Die Gene Drive Technologie birgt hohe Risiken. Dennoch wird sie von der Bill & Melinda Gates Foundation als Lösung gegen Malaria propagiert. Anlässlich des Welt-Malaria-Tages startet die Stop Gene Drives Kampagne ein Projekt, das verschiedene Perspektiven auf Möglichkeiten der Malariabekämpfung aufzeigt.
In diesem Interview mit Dr. Andreas Wulf, Arzt und Referent für globale Gesundheit bei Medico International wollten wir erfahren, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um das Menschenrecht auf Gesundheit umsetzen zu können und welche Rolle die Bill & Melinda Gates Stiftung in der internationalen Gesundheitspolitik bei der Auswahl von Maßnahmen wie zur Malariabekämpfung spielt.
Herr Wulf, wer entscheidet über die Wahl von Maßnahmen zur Bekämpfung der Malaria – welche Interessen setzen sich durch?
Der global Fund to Fight AIDS, Tb & Malaria ist zum weltgrößten Finanzgeber für Malaria Bekämpfung geworden, und stellt mehr als 50% der global verfügbaren Mittel für arme Länder bereit. Die Programme werden von den Ländern selbst entwickelt, und fokussieren auf klassische Public Health Maßnahmen (Gesundheitsaufklärung, Prävention durch Insektizide und Bettnetze gegen die Überträger-Mücken, rasche Diagnostik und Behandlung der Erkrankten mit wirksamen Kombinationsmedikamenten. Damit sind in vielen Ländern substantielle Erfolge bei der Zurückdrängung und in einzelnen auch der Eliminierung der Malaria zu verzeichnen und müssen unbedingt fortgesetzt werden.
Allerdings werden strukturelle Probleme bei der Bekämpfung wie dauerhafte Armutsbedingungen, bewaffnete Konflikte, die den Zugang zu betroffenen Gebieten unmöglich machen und aktuell auch die Unterbrechung von Programmen durch Covid19 Lockdowns und Grenzschließungen nicht durch solche Public Health Programme gelöst. Damit ist ein einseitiger Fokus auf eine technische „Ausrottung der Malaria“ problematisch, wenn er nicht die strukturellen Bedingungen mit in den Blick nimmt.
Wie schätzen Sie das Engagement der Gates-Stiftung in der internationalen Gesundheitspolitik allgemein und bezüglich der Bekämpfung von Malaria im Speziellen ein?
Die Gates Stiftung ist zu einem dominanten Akteur in der internationalen Gesundheitspolitik geworden nicht nur durch die enormen finanziellen Mittel, die sie für Forschung, Entwicklung und Umsetzung von Gesundheitsprogrammen einsetzt (sie ist z. B. der größte Geber des Polio-Ausrottungsprogramms der WHO), sondern besonders durch ihre strategischen Initiativen zur Förderung von öffentlich-privaten „Partnerschaften“ wie GAVI, die Impfstoff Allianz oder aktuell auch den Access to Covid19 Tools-Accelerators. Dabei besteht die große Gefahr, dass Interessenskonflikte zwischen privaten und öffentlichen Akteuren systematisch ausgeblendet werden, wie aktuell etwa an den Debatten um die Patente für Covid19 Impfstoffe zu sehen ist, bei der die Gates Stiftung aktiv die Interessen der großen Pharmaunternehmen verstärkt.
Die Tendenz der Gates Stiftung, technologische Lösungen für komplexe Gesundheitsprobleme zu bevorzugen, wird bei Malaria besonders deutlich: Sie fördert aktiv die Forschungen zur genetischen Modifizierung der Mücken (Gene Drive Strategie), um die Übertragung der Malaria Erreger zu blockieren. Problematischer noch: Sie sind vom Ziel einer möglichen Ausrottung der Malaria so überzeugt, dass sie andere Stimmen, die eher für einen möglicherweise realistischeren und community orientierten „Kontrollansatz“ plädieren, mit ihrer Dominanz in der Forschungsförderung verdrängen.
Welche Faktoren stehen dem Menschenrecht auf bestmöglichen Zugang zu Gesundheit in Afrika häufig entgegen? Welche Faktoren sind für die Prävention und Behandlung von Malariafällen relevant und müssten prioritär angegangen werden?
Grundsätzlich braucht es gute Lebensbedingungen, um Gesundheitsrechte individuell und kollektiv zu verwirklichen. Ernährung, Wohnverhältnisse, Einkommen und Arbeitsbedingungen, Frieden und der gerechte Zugang zu diesen für alle sind Schlüsselfaktoren, die weit über die Handlungsebene der Gesundheitssysteme hinausgehen und die – nicht nur in afrikanischen Ländern – massive Ungleichheiten bei der Realisierung von Gesundheit bedeuten. Unterernährung verschärft beispielsweise die Schwere von Malariaerkrankungen und die Gefahr daran zu sterben. Neben diesen „sozialen Determinanten der Gesundheit“ müssen für alle Menschen das Wissen um und die Verfügbarkeit von Prävention (Bekämpfung und Schutz vor Moskitos), Diagnostik (Schnelltests) und Behandlung (Medikamente, in schweren Fällen stationäre Behandlung) verfügbar sein, unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten. Auch die physische Erreichbarkeit von vorzugsweise öffentlichen, kostenlos zugänglichen Gesundheitsdiensten, in denen Malariaprogramme integriert sind, ist in vielen afrikanischen Ländern ein Problem, die nicht nur mit technischen Methoden angegangen werden muss (z.B. wird an Drohneneinsätze zur Verteilung von Medikamenten und Tests geforscht), sondern vor allem eine systematische Stärkung und Unterstützung gemeindenaher Gesundheitsarbeiter*innen (Community Health Worker) nicht nur in entfernten ländlichen Gegenden, sondern auch in Armutsregionen der Megacities.
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Weitere Interviews haben wir geführt mit:
Ali Tapsoba, Menschenrechtsaktivist und Sprecher eines Bündnisses in Burkina Faso gegen die Freisetzung von Gene Drive Mücken in seinem Heimatland, zu den bisher durchgeführten Maßnahmen zur Malariabekämpfung und die Einstellung der lokalen Bevölkerung zu den geplanten Feldversuchen mit Gene Drive Mücken.
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Pamela J. Weathers, Professorin und Forscherin am Worcester Polytechnic Institute in Massachusetts, USA, zu der Wirksamkeit und umstrittenen Sicherheit von Artemisia Tee-Aufgüsse zur Behandlung oder Vorbeugung von Malaria.
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