Welt-Malaria-Tag 2023 und die Gene Drives – Enttäuschung
Anlässlich des Welt Malaria Tages, der jedes Jahr am 25. April stattfindet, lädt die Stop Gene Drives Kampagne dazu ein, einen genaueren Blick auf die Botschaften derer zu werfen, die zu diesem Thema arbeiten.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) arbeitet daran, die weltweite Malariabelastung bis zum Jahr 2030 um neunzig Prozent zu reduzieren (im Vergleich zu einer Ausgangsbasis von 2015). Angesichts des Wettlaufs gegen die Zeit, unvorhergesehener Hindernisse und vielfältiger Interessen gab es in den letzten Jahren Rückschläge bei der Malariabekämpfung.
Insbesondere während der Covid-19-Pandemie stellten Unterbrechungen der Gesundheitsdienstleistungen, verlagerte Ressourcen und ein eingeschränkter Zugang zu den betroffenen Gemeinschaften konkrete Hindernisse auf dem Weg zum Ziel für 2030 dar.
Mit dem Ziel, solche Hindernisse zu überwinden und den Prozess zu beschleunigen, stand der Weltmalariatag 2023 unter dem Motto „Zeit für Null Malaria: investieren, innovieren, umsetzen„. In den sozialen Medien und im Internet wurde dieser Slogan geschickt genutzt, um die Biotechnologie (insbesondere Gene Drives) als den Gipfel der Innovation in der Malariabekämpfung darzustellen.
Wir laden Sie ein, sich einige Beispiele anzuschauen und gemeinsam mit uns die Geschichten dahinter zu entdecken.
Eine neue Art von Berühmtheiten
Target Malaria, ein umstrittenes Forschungskonsortium, das vom US-Militär finanziert wird (DARPA), nutzte die Gelegenheit, um sein Narrativ von „Innovation gleich Lösung“ zu untermauern.
In ihrer Erzählung sind die Wissenschaftler:innen das Äquivalent zu Rockstars, die mit ihren neuesten Kreationen die Welt vor Malaria retten sollen. Sie beharren darauf, dass dringende Innovationen (d. h. neue Gentechnologien, insbesondere Gene Drives zur Ausrottung von Moskitos) angesichts der kritischen Situation das einzig brauchbare Mittel sind. Dieses Szenario scheint ihrer Ansicht nach in einem Vakuum zu existieren, in dem die Risiken minimal sind und die negativen Folgen nicht berücksichtigt werden. Andere Organisationen folgten einem ähnlichen Rezept, indem sie „Wissenschaft und Innovation“ als die (einzigen) Instrumente darstellten, die die Malariabekämpfung wieder in Gang bringen können. (Siehe Beispiele hier, hier und hier)
Dieser Tunnelblick ist gefährlich und trügerisch. Abgesehen von der Verbreitung von Fehlinformationen können Bemühungen, die unter dem Druck stehen, sofortige Ergebnisse zu erzielen und sich zu finanziell zu lohnen, leicht Risiken übersehen, fehlerhafte Ergebnisse liefern und Probleme nur oberflächlich angehen. Darüber hinaus wird dadurch die falsche Vorstellung erzeugt, dass eine endgültige Lösung in der Malariabekämpfung gefunden wurde – was nicht der Fall ist.
Kein Pflaster kann eine tiefe Wunde heilen
Malariabekämpfung ist ein komplexes Anliegen, welches strukturelle und langfristige Lösungen erfordert. Das Drängen auf den Einsatz von Technologien (wie Gene Drives) ignoriert sowohl ökologische Risiken als auch kontextbezogene Herausforderungen.
Anlässlich des Welt-Malaria-Tags 2023 haben mehrere Organisationen und Akteur:innen darauf hingewiesen, warum es wichtig ist, bei der Malariabekämpfung über den oberflächlichen, technischen Aspekt hinauszublicken.
Die am häufigsten geäußerten Bedenken unterstrichen die Notwendigkeit, auch die sozioökonomischen und infrastrukturellen Faktoren zu bekämpfen, die das Auftreten von Malaria begünstigen. Dazu gehören Armut, geschlechterspezifische und andere Ungleichheiten, unzureichende Wasser-, Sanitär- und Hygieneinfrastruktur sowie mangelnder Zugang zu Bildung und der Gesundheitsversorgung.
Einige argumentieren, dass jeder Malariafall vermeid- und abwendbar ist, und fordern führende Politiker:innen weltweit auf, mehr Mittel bereizustellen und Maßnahmen zu ergreifen. Sie befürworten verschiedene Methoden wie verbesserte Moskitonetze, Impfstoffe, monoklonale Antikörper und Moskitozuckerköder. Sie plädieren für einen ganzheitlichen Ansatz, der den Gemeinden die notwendigen Mittel an die Hand gibt und die Ursachen bekämpft. (Siehe Beispiele hier, hier und hier)
Was gibt es noch aufzudecken?
Unter denjenigen, die in der Malariabekämpfung aktiv sind, scheint es einen Konsens darüber zu geben, dass sich die Fortschritte auf dem Weg zu einer drastischen Reduzierung bis 2030 verzögern. In diesem Zusammenhang übersehen Stimmen, die für überstürzte „Innovationen“ und neue Technologien als Lösung plädieren, oft die Risiken und potenziellen irreversiblen Auswirkungen.
Das Auftreten neuer Herausforderungen, wie die Entdeckung eines neuen Malariavektors in Afrika südlich der Sahara, macht deutlich, wie wichtig es ist, sorgfältig zu prüfen, ob technologische Lösungen bald überholt sein könnten. Darüber hinaus muss man sich der unzähligen Kaskadeneffekte bewusst sein, die der Einsatz einer unvorhersehbaren und irreversiblen Technologie für die Ökosysteme und die menschliche Gesundheit haben könnte.
Forschung zur Malaria-Ausrottung sollte mit Vorsicht und Verantwortungsbewusstsein betrieben werden und auf seriösen und genauen wissenschaftlichen Methoden und Erkenntnissen beruhen. Darüber hinaus sollte sie mehrere Lösungen und Alternativen (z. B. Netze, Malariamedikamente, Impfstoffe usw.) untersuchen und nicht losgelöst von ihrem Kontext existieren. Alle Bemühungen die Belastung durch Malaria zu verringern müssen die zugrundeliegenden sozioökonomischen und infrastrukturellen Faktoren, die zur Verbreitung von Malaria beitragen, berücksichtigen und angehen.
Schließlich kann es hilfreich sein, die Erzählungen und Geschichten, die zu diesem Thema kommuniziert werden, aufzuschlüsseln, um versteckte Absichten aufzudecken und Schwachstellen bei der Bewertung von Instrumenten und Methoden zur Ausrottung von Malaria zu erkennen. Dies trägt hoffentlich zu einer angemesseneren und sachkundigeren Bewertung der Optionen und zu einer ausgewogenen und verantwortungsvollen Entscheidungsfindung im Kampf gegen Malaria bei.
Zum Weiterlesen und Schauen:
Erfahren Sie mehr über die Anwendungen und Risiken von Gene Drives im Zusammenhang mit der Ausrottung von Malaria.
Lesen Sie die Analyse des African Center for Biodiversity über die Zusammenhänge zwischen Kapitalismus und Malaria.
Die beiden burkinabischen Aktivisten Ali Tapsoba und Guy Yameogo, erzählen in diesem Video, wie die Bevölkerung in ihrem Land zur Freisetzung von Gene Drives steht.
Hier finden Sie einige Interviews von Expert:innen die jeden Tag mit Malaria zu kämpfen haben.