Gene Drive-Symposium in Bern - Mit CRISPR-Cas unliebsame Arten ausrotten?

Am 24. Mai 2019 fand in Bern ein interdisziplinäres Gene Drive Symposium statt. Dort wurde ein Gene Drive Bericht veröffentlicht, der wissenschaftliche, ökologische, soziale, ethische und regulatorische Fragestellungen rund um die Gene Drive-Technologie beleuchtet.

Was ist ein Gene Drive?

CRISPR-Cas macht’s möglich: Gene Drives sind ein gentechnisches Verfahren, das unter anderem mit Hilfe des gentechnischen Werkzeugs CRISPR-Cas dazu genutzt wird, um bestimmte Eigenschaften – zum Beispiel Unfruchtbarkeit – schnell und dauerhaft in wildlebenden Tier- und Pflanzenpopulationen zu verbreiten. Durch die Freisetzung solcher Gene-Drive-Organismen sollen ganze Populationen oder Arten in der Natur gentechnisch verändert oder auch ausgerottet werden. Über Anwendungsmöglichkeiten, soziale, ethische und ökologische Konsequenzen sowie regulatorische Bedingungen für die Nutzung dieser bislang nur im Labor getesteten Technologie, wurde auf dem Gene Drive-Symposium in Bern diskutiert. Der dort veröffentlichte Gene Drive-Bericht fasst die Erkenntnisse zusammen.

Wie funktioniert ein Gene Drive?

CRISPR-Cas ist ein gentechnisches Werkzeug, das im Erbgut nach bestimmten DNA-Sequenzen suchen und an diesen Stellen die DNA-Stränge zerbrechen kann. Gentechnologen machen sich die zelleigenen Reparaturmechanismen für die Genmanipulation zunutze: Um einen Gene Drive herzustellen, wird die Erbanlage für CRISPR-Cas der Zelle als Reparaturvorlage zur Verfügung gestellt. Die Zelle kopiert diese Gensequenz in die Bruchstelle und kittet auf diese Weise die zerbrochene DNA. Da so das gentechnische Werkzeug selbst in aktiver Form im Erbgut des Organismus vorliegt, kann es bei jeder Fortpflanzung des Organismus aktiv werden und sich selbst ins Erbgut des Fortpflanzungspartners hineinkopieren. Auf diese Weise erben nahezu alle Nachkommen eines Gene Drive-Organismen den Gene Drive und die damit verbreitete Eigenschaft.

Anwendungsgebiete

Das in Zukunft größte Anwendungsgebiet von GDO (Gene Drive Organismen) könnte in der Landwirtschaft liegen. Vor allem US-amerikanischeForscher*innen  und Anbau-Vereinigungen hoffen, in Zukunft mit dieser Technologie Insekten wie die Kirschessigfliege, Blattläuse oder den Mehlkäfer dezimieren zu können. Auch die Überwindung von Herbizid- und Pestizidresistenzen in ertragsmindernden Beikräutern oder Insekten steht auf der Wunschliste zukünftiger kommerzieller Nutzungen. Gene Drives könnten aber auch als Biowaffen gegen Pflanzen, Tiere und Menschen eingesetzt werden. Das Forschungsinstitut des US-amerikanischen Militärs (DARPA) ist aus diesem Grund eines der größten Finanziers der Gene Drive-Forschung.

Am weitesten entwickelt und nach Aussagen des Projektteams von Target Malaria in frühestens fünf bis zehn Jahren für Freilandtests bereit, ist die Nutzung von Gene Drives in malariaübertragenden Mücken. Das von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung geförderte Projekt Target Malaria setzt sich zum Ziel, die Anopheles-Mücke in Burkina Faso auszurotten oder flächendeckend gentechnisch so zu verändern, dass die Übertragung von Malaria gestoppt wird.

Die Naturschutzorganisation Island Conservation hingegen hofft, mit Gene Drive-Organismen gegen eingeschleppte invasive Nagetiere vorgehen zu können, die den Artenreichtum auf Inseln bedrohen. Die Idee, Gene Drive-Organismen für den Naturschutz zu nutzen, wird aus diesem Grund seit einigen Jahren in der Weltnaturschutzorganisation IUCN kontrovers diskutiert.

Offene ökologische, soziale und ethische Fragen

Mit Gene Drives wird die Natur zum Gentechniklabor. Werden die im Labor geschaffenen Gene Drive-Organismen, zum Beispiel Mücken, Fliegen oder Mäuse in die Natur freigelassen, setzen sie eine gentechnische Kettenreaktion in Gang, die derzeit weder räumlich noch zeitlich begrenzbar ist. Eine globale Ausbreitung der auf diese Weise gentechnisch veränderten Organismen wäre die Folge. Die Entwicklung des für Mutationen und Fehler anfälligen gentechnischen Werkzeugs CRISPR-Cas in wilden Populationen ist kaum vorhersehbar. Unbeabsichtigte ökologische Folgen durch entstehende Resistenzen und Mutationen, durch die Auskreuzung in verwandte Arten oder durch unerwartete Effekte auf Nicht-Zielarten wären vermutlich irreversibel. Störungen der tierischen Nahrungsketten und daraus folgende negative Konsequenzen für die menschliche Ernährungssicherung wären nicht auszuschließen. Ob freigesetzte Gene Drive-Organismen rückholbar wären, oder sich die dadurch veränderten Ökosysteme je wieder in ihren Urzustand zurückversetzen ließen, ist fraglich.

Auch aus ethischer und sozialer Perspektive gibt es Bedenken: Sollten wir es uns anmaßen, die evolutionären Regeln der Natur so fundamental außer Kraft zu setzen? Kann eine so invasive, totalitäre und disruptive Technologie, die von Beginn an auf Patentansprüchen beruht, überhaupt ausreichend kontrolliert werden? Ist eine solche Technologie beherrschbar? Welche bestehenden Alternativen oder mögliche, weniger risikoreiche und demokratischere Lösungsansätze werden vernachlässigt oder gar nicht erst entwickelt, wenn aktuell Milliarden in diese Hochrisiko-Technologie investiert werden?

SOS-Kampagne für ein globales Gene Drive-Moratorium

Für Save Our Seeds sind Gene Drives die bislang gefährlichste Anwendung der Gentechnik in der Umwelt. Deshalb fordern Save Our Seeds und hunderte andere zivilgesellschaftliche Organisationen ein weltweites Moratorium für die Freisetzung von Gene Drive-Organismen in die Natur. Save Our Seeds möchte eine breite, kritische Diskussion über diese Technologie in die Gesellschaft und Politik tragen und Entscheidungsträger*innen sowie Wissenschaftler*innen auf nationaler, europäischer und globaler Ebene für einen Anwendungsstopp dieser Technologie gewinnen, bevor die ersten Exemplare in die Natur ausgesetzt werden. Gleichzeitig wirbt SOS für einen respektvollen Umgang mit der Natur, der die Artenvielfalt erhält und sie für uns nutzbar macht – anstatt einzelne Arten auszurotten oder auf so totalitäre Weise für kurzfristige Zwecke zu manipulieren.

Wer dieses Anliegen unterstützen möchte, kann die Petition für ein globales Gene Drive-Moratorium hier unterzeichnen.

Vertiefte Informationen zu Gene Drives aus wissenschaftlicher, ökologischer, sozialer, ethischer und regulatorischer Perspektive finden sich im Gene Drive-Report, der von ENSSER, VDW und CSS beim Gene Drive-Symposium in Bern veröffentlicht wurde.

Auf auf dem Gene Drive-Symposium am 24. Mai 2019 in Bern diskutierten Gene Drive-Entwickler Kevin Esvelt vom MIT in Boston mit Ignacio Chapela, Professor für mikrobielle Ökologie an der University of California in Berkeley und Ernst-Ulrich von Weizsäcker über mögliche Anwendungen, technische und ökologische Risiken sowie soziale Folgen der Gene Drive-Technologie.

Weitere Videoaufnahmen von Diskussionen und Beiträgen des Symposiums finden sich unter www.genedrives.ch