Rückblick auf die SBSTTA 26 – Was ist mit Gene Drives geschehen?
Auf der 26. Sitzung des Nebenorgans für wissenschaftliche, technische und technologische Beratung (SBSTTA 26) des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) stand das Thema Gene Drives auf der Tagesordnung. Es ging dabei sowohl um das Horizon-Scanning im Rahmen der CBD zur Erkennung neuer Herausforderungen durch synthetische Biologie als auch um die Leitlinien für Risikoabschätzung und Risikomanagement gemäß dem Protokoll über die biologische Sicherheit. Die Organisation Stop Gene Drives verfolgte die Vorbereitung der zu verabschiedenden Texte für die kommende Konferenz der Vertragsparteien (COP16) in Cali, Kolumbien, im Oktober genau.
Auf der letzten COP15 im Jahr 2022, bei der das „Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework 2020“ verabschiedet wurde, wurden auch zwei wegweisende Beschlüsse zur synthetischen Biologie und zur Risikoabschätzung von Gene Drives gefasst. Es wurden zwei ad hoc technische Expert:innengruppen (AHTEG) eingesetzt: Eine multidisziplinäre Gruppe (mAHTEG) sollte eine Methodik für Horizon-Scanning, Technologiebewertung und Monitoring entwickeln, um die Auswirkungen zukünftiger Technologien auf die biologische Vielfalt zu bewerten. Die multidisziplinäre Zusammensetzung war hart umkämpft und bleibt ein kontroverses Thema. Barbara Pilz von Stop Gene Drives war Mitglied dieser Gruppe. Die zweite AHTEG, ohne das „m“, konzentrierte sich auf die Entwicklung freiwilliger Leitlinien für die Risikoabschätzung von Mücken, die Gene Drives enthalten.
Die Gruppen erstellten Berichte zur synthetischen Biologie und zur fallweise durchgeführten Risikoabschätzung von lebenden, modifizierten Organismen, die Gene Drives enthalten. Von diesen Berichten ausgehend, sollten nationale Vertreter:innen in Nairobi Empfehlungen für die COP16 ausprechen.
Am ersten Tag der SBSTTA 26 wurden beide Themen im Plenum diskutiert, um festzustellen, ob sie so kontrovers sind, dass weitere Gruppendiskussionen (sogenannte „Kontaktgruppen“ in der UN-Terminologie) erforderlich sind oder ob sie direkt im Plenum behandelt werden können. Die von der AHTEG entwickelten Leitlinien zur Risikoabschätzung von Gene Drives identifizierten bedeutende Risiken und Unsicherheiten, wie zum Beispiel den Gentransfer auf Nichtzielorganismen, potenzielle grenzüberschreitende Bewegungen und erhebliche Risiken für die öffentliche Gesundheit. Die Lietlinien wurden stark dafür kritisiert, dass sie alte Methoden für GVOs und nicht für die neuen Herausforderungen von Gene Drives benutzten. Es wurden auch Fragen zu potenziellen Interessenkonflikten innerhalb der AHTEG aufgeworfen.
Die Diskussionen über die AHTEG waren weniger umstritten als jene über die synthetische Biologie. Dennoch wurden bedeutende Textabschnitte in eckige Klammern gesetzt, was darauf hinweist, dass kein Konsens erreicht wurde und weitere Diskussionen auf der COP16 notwendig sein werden. Die Mehrheit im Plenum begrüßte die Arbeit der AHTEG, während einige jedoch argumentierten, dass keine weiteren AHTEG-Sitzungen notwendig seien. Viele Länder, insbesondere afrikanische Staaten, in denen Gene Drives möglicherweise zuerst getestet werden könnten, forderten jedoch präzisere Leitlinien, die Praktikern wirklich bei der Risikoabschätzung helfen könnten. Die COP16 muss nun entscheiden, ob das Cartagena-Protokoll seine Expert:innengruppe weiterhin beibehält und den Vertragsparteien Aufsicht und Ressourcen bietet oder ob dieses Kapitel geschlossen wird. Wie üblich bestand allgemeiner Konsens über die Notwendigkeit einer verstärkten Aufbau von Kapazitäten, vor allem in sogenannten Entwicklungsländern. Nichtregierungsorganisationen und Jugendvertreter:innen betonten das Vorsorgeprinzip und kritisierten das blinde Vertrauen in Computermodellen in den Leitfäden. Sie forderten weitere AHTEG-Sitzungen und verfeinerte, an Gene-Drive angepasste, Methoden.
Bei den Diskussionen zur synthetischen Biologie war der Bericht der multidisziplinären ad hoc Expert:innengruppe (mAHTEG) aufschlussreich, obwohl nur begrenzt Zeit zur Verfügung stand, um Technologien nach der Entwicklung umfangreicher Methodiken zu bewerten. Die Expert:innen stellten fest, dass einige der bewerteten Technologien Vorsichtsmaßnahmen und umfassendere Gutachten erfordern, einschließlich sozioökonomischer, kultureller und ethischer Aspekte. Der Bericht empfahl ausdrücklich, solche eingehenden Gutachten für Gene Drives durchzuführen. In den Debatten zeigte sich eine klare Teilung zwischen jenen, die weiterhin Horizon-Scanning befürworteten, und anderen, die einen Schwerpunkt auf Kapazitätsaufbau verlagern wollten. Die afrikanische Gruppe erkannte den Wert einer Expert:innengruppe, die aufkommende Technologien bewerten und staatliche Entscheidungen informieren konnte, und forderte gleichzeitig Kapazitätsaufbau, Technologietransfer und Zusammenarbeit im Bereich der synthetischen Biologie. Es gab jedoch Unterschiede darüber, was dies beinhalten würde, und es wurde gefragt, wann die Diskussionen von Risiken zu Vorteilen übergehen würden, was auf ein Interesse an der Entwicklung von Gene Drives hindeutete. Andere afrikanische Staaten plädierten hingegen für „angemessene“ Technologietransfers, um zu vermeiden, dass sie zum Testgebiet für unsichere und ungetestete westliche Technologien werden.
Einige Länder, insbesondere Argentinien, Brasilien, Japan und Neuseeland, unterstützten die Forderung nach einer Anerkennung der Vorteile stark. Argentinien schlug während der Plenarsitzung einen Aktionsplan für synthetische Biologie vor, der die Förderung solcher Technologien weltweit zum Ziel hätte.
In der Kontaktgruppe standen zwei gegensätzliche Optionen zur Debatte:
- Fortsetzung der mAHTEG mit ordnungsgemäßem Horizon-Scanning sowie Kapazitätsaufbau auch für Risikoabschätzung und Monitoring
- Förderung der synthetischen Biologie weltweit mit einem neuen Aktionsplan und Reduktion der mAHTEG auf eine Literaturrecherche
Brasilien kritisierte die Mitglieder der mAHTEG als wenig fachkundig, und andere Staaten unterstützten diese Einschätzung. Die Bewertung der mAHTEG, dass diese Technologien nicht nur für die biologische Vielfalt, sondern auch für die Gesellschaft und Lebensgrundlagen Risiken darstellen, wurde offensichtlich von Staaten, die die synthetische Biologie fördern, nicht gut aufgenommen. Es gab weitere Versuche, den Prozess zu behindern, ähnlich wie bei der COP15, wo ein Delegierter sich rühmte, den Prozess „zum Scheitern gebracht“ zu haben.
Die Empfehlungen, die die SBSTTA-Delegierten schließlich an die COP16 weiterleiteten, spiegeln nicht die klaren Formulierungen und Empfehlungen der mAHTEG wider, insbesondere in Bezug auf Gene Drives. Es ist entscheidend, dass die mAHTEG in ihrer derzeitigen oder einer erweiterten Form fortgeführt wird und nicht nur auf eine Überprüfung hauptsächlich englischsprachiger Literatur aus überwiegend westlichen Institutionen und von Patentinhaber:innen reduziert wird. Auch der Kapazitätsaufbau und Technologietransfer muss dazu beitragen, die Unterschiede zwischen stärker und weniger industrialisierten Ländern zu verringern, anstatt als Testgebiet für potenziell schädliche Technologien zu dienen.
Das für die COP16 vorbereitete Dokument legt nahe, dass die derzeitigen Methoden ausreichen, um die Umwelt- und sozioökonomischen Auswirkungen von Gene Drives zu bewerten, was irreführend ist. Diese Methoden wurden ursprünglich zur Bewertung der Risiken von GVOs entwickelt, die in begrenzten landwirtschaftlichen Umgebungen angebaut werden. Dies unterscheidet sich grundlegend von Gene Drives, die darauf ausgelegt sind, sich in der Umwelt auszubreiten und ganze Arten in ihren natürlichen Lebensräumen zu verändern. Diese Unzulänglichkeit betrifft auch die Überwachungsmöglichkeiten, was es erschwert, GDOs effektiv zu managen, falls Probleme auftreten.
Es sind erhebliche Anstrengungen erforderlich, sowohl vor als auch während der COP16, um sicherzustellen, dass sich die Vertragsparteien für die Fortsetzung der mAHTEG im Bereich Horizon-Scanning für synthetische Biologie und der AHTEG für Risikoabschätzung einsetzen. Diese Anstrengungen sind entscheidend, um eine wirklich robuste Methodik für die Bewertung der mit Gene Drives verbundenen Risiken zu entwickeln.